Knochen kann sich aus verschiedenen Gründen abbauen, zum Beispiel wenn eine Krankheit wie Parodontitis ihn angreift. Ein weiterer häufiger Grund ist Zahnverlust. Der Knochen wir an der Zahnlücke nicht mehr belastet und baut sich daher zurück (wie Muskeln, die nicht beansprucht werden).
In den ersten drei bis sechs Monaten nach Zahnverlust findet der größte Knochenabbau statt. Daher ist es wichtig, Zahnlücken so schnell wie möglich zu versorgen, beispielsweise mit einem Implantat. Um ein Implantat in den Kieferknochen einbauen zu können, muss jedoch ein gewisses Volumen an Knochen vorhanden sein. Ansonsten ist zuerst ein Knochenaufbau oder eine Knochentransplantation notwendig.
Dr. Bergen Pak von der Praxis am Kureck in Wiesbaden erklärt, wie das funktioniert.
Wie wird Knochenaufbau durchgeführt?
Grundsätzlich gilt: je mehr Knochen vorhanden ist, desto höher die Chance für eine erfolgreiche Implantation. Der Knochen sollte an der entsprechenden Stelle mindestens fünf mm breit und acht bis zehn Millimeter hoch sein. Ist das nicht der Fall, gibt es verschiedene Möglichkeiten des Knochenaufbaus:
- Knochenanlagerung
- Knochenspreizung
- Knochenspaltung
- Erhaltung des Zahnfachs
- Distraktionsosteogenese
- Sinuslift
Knochenanlagerung
Es gibt zwei Varianten der Knochenanlagerung. Ein künstliches Knochenersatzmaterial kann in Kügelchen geformt werden und an der entsprechenden Stelle unter die Schleimhaut gebracht. Oder es wird Knochenmehl gewonnen (entsteht zum Beispiel beim Bohren) und ebenfalls an der defekten Stelle angelagert. Die Stelle wird dann mit einer Membran geschützt, sodass der Knochen in Ruhe wachsen kann. DIe Membran ist oftmals resorbierbar, das heißt sie wird nach einiger Zeit automatisch vom Körper zersetzt.
Knochenspreizung
Bei einer Knochenspreizung (engl.: bone spreading) wird direkt das Implantat mit eingesetzt. Der Knochen wird längs gespalten und dann etwas geweitet. In den entstandenen Hohlraum wird das Implantat gesetzt und gegebenenfalls mit Knochenersatzmaterial gefestigt. Diese Methode hilft bei einem zu schmalen Knochen. Sie lässt sich allerdings nur im etwas weicheren Oberkiefer durchführen, der Unterkiefer ist zu hart. Auch hier schützt eine Membran in der ersten Zeit den Übergang von Knochen zu Weichgewebe.
Knochenanspreizung
Wenn für eine Knochenspreizung zu wenig Restknochen vorhanden ist, führt der Oralchirurg eine Knochenspaltung (engl.: bone splitting) durch. Auch dafür spaltet und weitet er den Knochen, allerdings deutlich extremer als bei einer einfachen Knochenspreizung. In die entstandene Lücke kommt das Knochenersatzmaterial. Ein Implantat kann in diesem Fall nicht direkt mit eingesetzt werden, der Knochen muss erst einige Monate verheilen.
Erhalt des Zahnfachs
Der günstigste Fall für Zahnarzt und Patient ist, wenn vor Beginn der Behandlung zunächst der Zahn gezogen wird. Dann kann das Zahnfach (die Alveole) ohne großen Knochenabbau erhalten werden. Experten sprechen auch von einer “Socket Preservation”. Dabei wird das Loch, in dem vorher die Zahnwurzel steckte, mit Knochenersatzmaterial gefüllt.
Distraktionsosteogenese
Eine etwas aufwändigere Möglichkeit ist die Distraktionsosteogenese (aus lat.: „distrahere“ = wegziehen + „osteo“ = Knochen + griech.: „genesis“ = Entstehung). Dafür durchtrennt der Oralchirurg den Knochen und setzt einen Distraktor ein. Dieser zieht den Knochen auseinander und aktiviert somit die Heilungskräfte des Körpers, der die entstandene Lücke mit neuem Knochen füllt. Allerdings sind bei dieser Methode zwei Eingriffe nötig, da der Distraktor nach Ende der Behandlung wieder entfernt werden muss.
Sinuslift
Ein Sinuslift eignet sich zum Knochenaufbau im Oberkiefer. Dafür wird der Boden der Kieferhöhle etwas angehoben und der Hohlraum mit Knochenersatzmaterial gefüllt. Eine Implantation kann im selben Eingriff oder auch später erfolgen. Da es sich um einen minimalinvasiven Eingriff handelt, ist das eine sehr körperschonende Variante des Knochenaufbaus.
Risiken beim Knochenaufbau
So segensreich für die Betroffenen die Behandlung auch sein kann: kein Eingriff ist frei von Risiken. Welche speziell bei dem Knochenaufbau bestehen können, erläutern wir hier:
- Verlust des Implantats
- Chronische Kieferhöhlenentzündung
Verlust des Implantats
Offene Wunden (z.B. nach einer Extraktion) verheilen in der Regel sehr gut. Wird aber Fremdmaterial in die Wunde eingebracht oder vergrößert sich das Volumen des Knochen, übt das auch Zug auf die frische Narbe aus. Löst sich dadurch die Naht, spricht der Art von „Wunddehiszenz“ (dt. Auseinanderweichen benachbarter Wundränder). Dass die Narbe zu reißen droht, merkt der Patient, wenn die Wunde Sekrete absondert oder auch nach Tagen noch schmerzt.
Ein weiteres Problem: Die offene Wunde gefährdet den Knochenaufbau. Infiziert sich eine Membran, können sich sich die Bakterien auch am Fremdmaterial ansiedeln. Antibiotika erreichen nur durchblutetes Gewebe, nicht aber das Knochenersatzmaterial, sodass es wieder entfernt werden muss.
Infiziertes Gewebe um ein Implantat, das mit Fremdmaterial aufgebaut wurde, kann dazu führen, dass auch die künstliche Zahnwurzel entfernt werden muss. Tiefergehende Infektion sind dagegen eher selten.
Chronische Kieferhöhlenentzündung
Die Kieferhöhle (Sinus maxillaris) ist ein Luftraum im Oberkiefer oberhalb der großen Backenzähne. Knochen und Höhle werden getrennt durch eine dünne Schleimhaut, die Schneidersche Membran.
Wird diese Membran beim Sinuslift verletzt, entsteht dabei zum Beispiel unbemerkt ein Loch in der Schneiderschen Membran, kann Knochenersatzmaterial in die Kieferhöhle eindringen. Dort führt es im schlechtesten Fall zu einer chronischen Kieferhöhlenentzündung.
Auch hier müssen die Verursacher, sprich: die Knochenersatzmaterialien, sorgfältig entfernt werden. Ansonsten kann die betroffene Stelle nicht ausheilen und es droht eine chronische Infektion.
Komplikationen beim Knochenaufbau sind nicht selten. Gerade das Risiko schwerer Komplikationen, wie chronischen Infekten des Knochens und der Kieferhöhle, erfordert ein sorgfältiges Abwägen zwischen einem Knochenaufbau und möglichen Alternativen (dünnere oder kurze Implantate?).
Welche Knochenersatzmaterialien gibt es?
Inzwischen gibt es eine ganze Reihe von Knochenersatzmaterialien.
- Eigenknochen
- Isotransplantat
- Fremdknochen
- Tierisches/Pflanzliches Gewebe
- Künstliches Material
Jedes bringt unterschiedliche Vor- und Nachteile mit sich, daher entscheidet der Zahnarzt im Einzelfall, welches er verwendet. Allen gemein ist, dass sie das Knochenwachstum anregen und den Knochenabbau stoppen.
Eigenknochen: Die Verwendung von eigenem Knochen ist gängig, da dabei keine Abstoßungsreaktion zu erwarten ist. Der Knochen kann aus Hüfte, Kinn oder dem hinteren Kieferbereich entnommen werden. Welche Entnahmestelle sinnvoll ist hängt von der Größe des Defektes ab. Bei größeren Defekten wird der Eigenknochen direkt auf die zu füllende Stelle transplantiert und heilt dort nach einigen Wochen ein.
Isotransplantat: Ein Isotransplantat entspricht dem Vorgang mit dem Eigentransplantat, jedoch wird der Knochen von einem genetischen Zwilling entnommen.
Fremdknochen: Außerdem können gefriergetrocknete Knochen oder Spenderknochen verwendet werden. Dieses Material regt die Knochenneubildung an und ist sehr stabil. Es eignet sich auch für größere Defekte und wirkt schneller als künstliche Knochenersatzmaterialien.
Tierisches/Pflanzliches Gewebe: Hierfür ist kein zusätzlicher Eingriff notwendig. Daher verwenden viele Zahnärzte sehr häufig dieses Material. Grundbestandteil ist Hydroxylapatit, ein Stoff, der auch natürlich in der Hartsubstanz von Knochen und Zähnen vorkommt und die Knochenbildung anregt.
Künstliches Material: Neben den natürlichen Materialien werden auch eine Reihe synthetischer Stoffe für den Knochenaufbau verwendet. In erster Linie schaffen sie erst das Gerüst, in dem sich Wachstumszellen sammeln und dann neuen Knochen bilden können. Abgesehen davon ist keine eigene OP notwendig, sodass sie auch für Veganer eine akzeptable Option darstellen.
Was kostet ein Knochenaufbau?
Pauschalaussagen über die Kosten für einen Knochenaufbau sind natürlich nicht möglich. Schließlich hängen sie von ganz unterschiedlichen Faktoren ab, u.a.
- Größe des Knochendefekts
- Position des Knochenaufbaus
- verwendetes Knochenersatzmaterial
- zusätzliche OP-Kosten bei Verwendung eigener Knochen
- Dauer der Behandlung
- Diagnosekosten (Röntgen, DVT u.ä.)
- sonstige Kosten, z.B. Implantat, Parodontitisbehandlung etc.
Verwendet der Zahnarzt bspw. Knochenspäne vom Bohren, geht dieser Eingriff nicht so sehr ins Budget wie bei einer zusätzlichen OP oder dem Einsatz von Knochenersatzmaterial. Dementsprechend variieren die Kosten für einen Knochenaufbau zwischen 100 und 5000 Euro. Eine konkrete Summe kann Ihnen ausschließlich der behandelnde Zahnarzt nennen.
Allerdings übernehmen die gesetzlichen Krankenkassen die Kosten für einen Knochenaufbau in der Regel nicht und die privaten Krankenkassen – wenn überhaupt – nur anteilig. Ob und inwiefern der Knochenaufbau im Rahmen einer Zahnzusatzversicherung abgedeckt ist, sollten Sie ggf. mit dem Träger Ihrer Versicherung klären.
Comments are closed.