Unsere Zähne sind nicht fest mit dem Kiefer verwachsen, sondern können sich bewegen. Die Gründe für Zahnfehlstellungen liegen sowohl in genetischer Veranlagung, in vielen Fällen aber auch in äußeren Einflüssen wie z.B. Daumenlutschen. Das gleiche gilt für Kieferfehlstellungen.
Behandelt werden sie vom Kieferorthopäden mit festsitzenden oder losen Zahnspangen. Deren dauerhafte Wirksamkeit ist jedoch umstritten.
Kieferorthopädin Margarita Lietzau von Dentalsplace in Berlin gibt im Video einen Überblick.
Was sind Zahnfehlstellungen?
Wenn Zähne im Gebiss schief stehen, verdreht sind oder am falschen Platz wachsen, liegt eine Zahnfehlstellung vor. In einem idealen Gebiss (auch: Okklusion) stehen Ober- und Unterkiefer in einem bestimmten Verhältnis zueinander. Die oberen Vorderzähne überlappen dabei die unteren Schneidezähne um 2-3 mm.
Eine perfekte Okklusion haben die wenigsten. Behandelt werden aber in der Regel nur die Fehlstellungen, die langfristig für gesundheitliche Schäden sorgen können.
Wie kommt es zu Zahnfehlstellungen?
Zahnfehlstellung können genetisch bedingt sein. Wahrscheinlicher ist aber, dass sie durch äußere Umstände bedingt sind. Eine Studie der Universität Rostock zeigte 2011, dass 84 % der untersuchten Kindergarten- und Schulkinder Zahnfehlstellungen aufwiesen. 75 % davon waren nicht genetisch bedingt.
Die Grundlage für die Zahnstellung wird oft in jungen Jahren gelegt. Einfluss auf Fehlstellungen haben zum Beispiel schlechte Angewohnheiten wie das Kauen auf Stiften, auf die Lippe beißen, Zunge an die Vorderzähne drücken oder Zähneknirschen. Besonders Daumenlutschen ist ungesund, da es die Wahrscheinlichkeit für einen offenen Biss (siehe unten) erhöht. Auch der Schnuller sollte dem Kind frühzeitig wieder abgewöhnt werden. Stillen ist übrigens förderlich für die Mundgesundheit des Babys. Wird das Fläschchen gegeben, sollten Eltern darauf achten, dass der Nuckel nicht zu lang ist. Geeigneter ist eine Schnabeltasse.
Ein weiterer Auslöser für Zahnfehlstellungen sind Asthma und andere Atemwegserkrankungen. Die Betroffenen atmen viel durch den Mund. Der fehlende Druck der Lippen begünstigt, dass sich die Vorderzähne nach vorn verschieben.
Auch mangelnde Zahnpflege und eine schlechte Ernährung im Kindesalter fördern Zahnfehlstellungen. Fallen die Milchzähne zum Beispiel aufgrund von Karies frühzeitig aus, entsteht eine Zahnlücke, die nicht so schnell geschlossen wird. Durch den zusätzlichen Platz beginnen die nebenstehenden Zähne, sich zu bewegen. Dadurch ist der Platz für die nachwachsenden Zähne wiederum eingeschränkt und es besteht die Gefahr, dass sie schief oder an einer falschen Stelle nachwachsen. Das gleiche gilt für Zahnlücken, die durch einen Unfall (Zahntrauma) entstanden sind.
Auch bei Erwachsenen können sich Zähne an den falschen Platz bewegen, zum Beispiel durch Fehlbelastungen oder den Durchbruch der Weisheitszähne.
Was sind Kieferfehlstellungen?
Bei Kieferfehlstellungen ist die Form von Unter- und/oder Oberkiefer nicht optimal. Sie sind zum Beispiel zu schmal, zu breit oder das Verhältnis zueinander stimmt nicht. Die Gründe dafür sind die gleichen wie für Zahnfehlstellungen. Kieferfehlstellungen bewirken oftmals eine Fehlstellung der Zähne. Andersherum ist das nur in der Wachstumsphase möglich. Daher lassen sich Kieferfehlstellungen bei Erwachsenen ausschließlich durch einen chirurgischen Eingriff beheben.
Welche Zahn- und Kieferfehlstellungen gibt es?
- Überbiss:
der Oberkiefer ist im Verhältnis zum Unterkiefer zu groß und steht daher zu weit vor - Unterbiss:
das Gegenteil des Überbisses, hier steht der Unterkiefer zu weit nach vorne - Tiefbiss:
der Unterkiefer sitzt zu weit hinten, wodurch die oberen Vorderzähne die unteren Zähne beim Zubiss fast komplett verdecken - Deckbiss:
wie Tiefbiss, zusätzlich sind die oberen Schneidezähne nach innen gekippt, sie berühren das Zahnfleisch bzw. berühren die unteren Schneidezähne den Gaumen - Offener Biss:
die Vorderzähne treffen beim Zusammenbeißen nicht aufeinander, es bleibt ein Abstand dazwischen - Kreuzbiss:
die Zähne des Ober- und des Unterkiefers treffen nicht perfekt aufeinander; entweder stehen die oberen Seitenzähne zu weit nach innen oder die unteren zu weit nach außen - Engstand:
die Zähne stehen zu dicht beieinander - Zahnlücken:
die Zähne stehen zu weit auseinander, sodass Lücken zwischen den Zähnen bestehen - verlagerte Zähne:
der Zahn entwickelt sich im Kiefer schief und wächst somit auch schief oder aber gar nicht (das ist häufig bei den Weisheitszähnen der Fall) - fehlende Zähne:
aus genetischen Gründen sind manchmal nicht alle Zähne veranlagt - Zahnüberzahl (Hyperdontie):
das Gegenteil von fehlenden Zähnen, es sind zu viele Zähne veranlagt
In vielen Fällen liegt nicht ein einzelner Fehler vor, sondern eine Kombination aus verschiedenen Problemen.
Was sind die Folgen von Zahnfehlstellungen?
Als Folge von Zahnfehlstellungen fallen natürlich zuallererst die ästhetischen Aspekte auf. Im Vergleich zu den möglichen Folgen für die Gesundheit sind sie aber zu vernachlässigen.
Mögliche Folgen von Zahnfehlstellungen sind:
- eine zu starke Belastung und somit Abnutzung der Kiefergelenke
- Störung der Artikulation (z.B. lispeln)
- höheres Infektionsrisiko, da die Zähne schwieriger zu reinigen sind
- wenn die Lippen nicht richtig schließen: Belastung der Atemwege und somit häufigere Erkältungen
- Verdauungsprobleme, da die Nahrung nicht so gründlich gekaut werden kann
- Spannungskopfschmerzen, Migräne, Ohrgeräusche und Schwindel
Wie kann man Zahnfehlstellungen vorbeugen?
Zunächst ist es wichtig, für eine gute Mundhygiene und Zahnpflege zu sorgen. Außerdem sollte ab dem Durchbruch des ersten Zahnes in regelmäßigen Abständen der Zahnarzt zur Kontrolle aufgesucht werden.
Sobald das Milchzahngebiss komplett ist, lohnt sich ein Kontrollbesuch beim Kieferorthopäden, um mögliche Fehlstellungen und falsche Angewohnheiten frühzeitig zu identifizieren. Sollten Sie bei Ihrem Kind solche falschen Angewohnheiten (siehe oben) bemerken, machen Sie es darauf aufmerksam und versuchen Sie, sie dem Kind abzugewöhnen.
Daumenlutschen und ungeeignete Babyfläschen sollten vermieden und der Schnuller beizeiten abgewöhnt werden. Nach einem Unfall mit Zahnverlust sollten Sie zur Abklärung möglichst zeitnah einen Zahnarzt aufsuchen.
Wie lassen sich Zahn- und Kieferfehlstellungen behandeln?
Mithilfe von festsitzenden und herausnehmbaren Zahnspangen kann ein Kieferorthopäde Zahn- und Kieferfehlstellungen behandeln. Sowohl für Kinder als auch für Erwachsene gibt es dafür inzwischen verschiedene Möglichkeiten. Welche Behandlungsmethode sinnvoll ist, entscheidet der Kieferorthopäde jeweils im Einzelfall.
Feste und lose Zahnspangen
Zahnspangen üben Druck auf die Zähne aus und bringen sie dadurch in die richtige Position. Für das Milchzahngebiss oder während des Wechsels von Milchzähnen zu bleibenden Zähnen gibt es auch Spangen, die das Kieferwachstum beeinflussen und Fehlstellungen dadurch beseitigen.
Lose Zahnspangen bestehen aus Kunststoff und Draht. Sie bewegen die Zähne, um zum Beispiel Platz für einen neuen nachwachsenden Zahn zu schaffen.
Für feste Spangen befestigt der Kieferorthopäde Klammern (engl.: “brackets”) auf den Zähnen. Sie werden mit einem Drahtbogen verbunden, der gezielt Druck auf die Zähne ausübt. Mit Gummiringen und Spiralfedern kann zusätzlich Zug auf die Zähne gebracht werden.
Inzwischen gibt es auch Varianten, die von außen nicht sichtbar sind, zum Beispiel dünne, transparente Plastikschienen (Aligner) oder eine linguale Zahnspange, die an den Zahninnenseiten angebracht wird. Die Dauer der Behandlung hängt von der Schwere der Fehlstellung ab. Meist müssen die Patienten mehrere Jahre lang eine Zahnspange tragen.
Wie sinnvoll sind Zahnspangen?
Die langfristige Wirksamkeit von Zahnspangen ist stark umstritten. Die Studienlage in dieser Frage ist sehr dünn, es ist nicht wirklich belegt, dass durch eine Zahnspangenbehandlung konkret Krankheiten vermieden werden können. Belegt ist allerdings der psychologische Nutzen: Patienten fühlen sich wohler mit gerichteten Zähnen.
Der Konflikt wird auch deutlich an den unterschiedlichen Empfehlungen einzelner Instanzen. Die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung empfiehlt eine Behandlung mit Zahnspangen zwischen dem 10. und 13. Lebensjahr, wenn das Wachstum der Zähne abgeschlossen ist. Der Berufsverband der Deutschen Kieferorthopäden hingegen bittet die Zahnärzte, Kinder ab 3 Jahren auf Zahnfehlstellungen zu untersuchen und gegebenenfalls an einen Kieferorthopäden zu überweisen.
Oftmals wird auch sehr leichtfertig über die möglichen Nebenwirkungen von Zahnspangen hinweggegangen: erhöhte Kariesgefahr an den Stellen, an denen die Brackets kleben, Zahnfleischentzündungen und Schäden am Zahnschmelz nach der Entfernung der Brackets.
Welche Kosten bringt eine Zahnspange mit sich?
Für Kinder zwischen 10 und 18 Jahren werden die Kosten für eine medizinisch notwendige Zahnspange von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen. Für Brackets aus speziellem Material oder besondere Drähte müssen die Eltern aber selbst aufkommen. Außerdem müssen 20 % der Kosten zunächst selbst getragen werden. Sie werden erstattet, nachdem die Behandlung erfolgreich abgeschlossen wurde.
Bei Erwachsenen werden die Kosten nur bei einer erheblichen Kieferfehlstellung und wenn ein kieferchirurgischer Eingriff nötig ist übernommen. Für Privatversicherte hängen die Kosten individuell von ihrem abgeschlossenen Tarif ab. Für die ästhetischen Lösungen mit einer lingualen Spange oder Alignern werden aber fast immer Zuzahlungen fällig.
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